In vielen Kulturen wurden über Jahrhunderte hinweg Schriftsysteme entwickelt – wie das komplexe chinesische Schriftsystem, die japanischen Silbenschriften Hiragana und Katakana, das hebräische
Alphabet, die russische Kyrillika oder die deutsche Kurrentschrift.
Jede Schrift trägt ihre eigene Melodie, ihre Struktur, ihre Geschichte.
Doch heute – im digitalen Zeitalter – stellen sich mir zwei Frage:n
Werden diese Zeichen nur noch als Werkzeuge betrachtet? Und ist Handschrift überhaupt noch relevant?
In vielen Ländern, auch in China und Japan, wird die traditionelle Schrift zwar noch gelehrt, doch im Alltag schreiben viele fast nur noch digital.
Auch in Europa können viele Jugendliche keine Schreibschrift mehr lesen, geschweige denn schreiben.
Kein Wunder – mit der Hand zu schreiben ist ein Triathlon fürs Gehirn: Es fordert Feinmotorik, Koordination und Präsenz.
Egal in welchem Land oder mit welchen Schriftsymbolen –
es braucht keinen Drill, wohl aber Wiederholungen, beherzte Fehlversuche und die kostbare Kunst der Muße.
Wenn du neue Formen oder Muster schreibst, verlangt das deine volle Aufmerksamkeit.
Handschriftliches Schreiben öffnet eine kreative Tür in deinem Bewusstsein:
Indem du bewusst Form, Aufteilung oder Schreibgerät veränderst, hinterfragst du Gewohnheiten – auch innere.
So beginnt ein Prozess der Rückverbindung: zu deinem Körper, deinen Gedanken und dem gegenwärtigen Moment.
Es ist eine Form der Selbstwahrnehmung, die durch Tippen nicht ersetzt werden kann.
Auf der Tastatur ist schnell nicht gleich klar – Schreiben wird zum Rennen, nicht zum Erkennen.
Warum also fühlen sich so viele Menschen gehetzt, verwirrt, entfremdet – als wären sie auf dem falschen Planeten?
Weil es an innerer Verbindung fehlt: zur eigenen Wahrnehmung, zur inneren Stimme und zu Mutter Erde.
Es wirkt, als habe der Mensch verlernt, den Moment in seiner wahren Natur zu erkennen: als etwas Einmaliges, Lebendiges und Heiliges.
Ein Blick auf fernöstliche Schriften zeigt, wie stark Zeichen mit Bedeutung aufgeladen sein können:
Im Japanischen trägt jedes Kanji eine eigene Bedeutung – oft mit bildhafter Tiefe.
Im Sanskrit ist jedes Wort Klang, Energie und spirituelle Essenz.
Diese Systeme verbinden Denken, Fühlen und Schreiben auf einzigartige Weise.
Wenn deine Handschrift im Alltag unleserlich wird, nimm das nicht als Schwäche – sondern als Zeichen.
Ein Hinweis, kurz innezuhalten, zu atmen und dich zu erden. Werde absichtlich langsamer und beruhige deinen Geist.
Handschrift ist kein Schönheitswettbewerb – sondern ein Spiegel deines inneren Zustands.
Die Methode der Graphotherapie lenkt den Blick gezielt auf Haltung, Druck, Bewegung und Form.
Mit der Zeit wird Schreiben zu einer Erfahrung, die dich tief im Innersten stärkt.
Die digitale Welt bringt viele Annehmlichkeiten.
Doch es liegt an dir, deine inneren Pflänzchen mit der vom Geist geführten Hand zu nähren – bewusst, liebevoll und geduldig.
So wachsen aus ihnen kraftvolle Bäumchen, die dich tief verwurzeln, lebendig machen und in jede Zelle deines Seins stärken.
“In der Handschrift fließt nicht nur Tinte – sondern Seele.“
Danke für deine Zeit, dein Vertrauen und dein Interesse.
Marika Jacqueline Mitterhofer