
Jahrtausende war die Handschrift ein zentrales Kulturgut Europas. Generation für Generation lernte in der Schule, lesbar und flüssig zu schreiben. Selbst in Fabriken, Bergwerken und Bauernhöfen war es Anfang des 20. Jahrhunderts selbstverständlich, dass jeder lesen und schreiben konnte.
Heute ist das anders. In deutschen Klassenzimmern wird das "Nicht-schreiben-Können" immer mehr zur Norm. Immer mehr Kinder können nur mit großer Anstrengung lesbar schreiben. Manche gar nicht mehr. Was früher Einzelfälle waren, ist heute alltäglicher Unterrichtsstoff. Der Deutsche Lehrerverband schlug 2015 Alarm: In einer Umfrage mit Lehrkräften aus 16 Bundesländern gaben 51 Prozent der Lehrer an, dass ihre Schüler große Probleme mit der Handschrift haben. Nur 29 Prozent der Kinder könnten 30 Minuten lang beschwerdefrei mit der Hand schreiben. Und das in der fünften und sechsten Klasse.
Schon 2011 hatte eine Untersuchung in Hamm (NRW) gezeigt: Jedes sechste Schulkind konnte nicht mehr lesbar schreiben. Und das über alle Schulformen hinweg – vom Gymnasium bis zur Hauptschule. Die Ursache lag also nicht am Intellekt oder an der sozialen Herkunft, sondern an der fehlenden Vermittlung.
Die Folgen? Frust, Schulversagen, Schreibverweigerung. Denn wer schriftlich nicht mitkommt, schaltet innerlich ab oder fühlt sich als Versager.
Und dabei ist die Handschrift nicht einfach nur ein schönes Extra – sie ist ein Lernfundament.
Der allmähliche Verlust der Handschrift ist mehr als ein technischer Wandel. Er ist ein kulturelles Symptom und ein Bildungsproblem.
Denn Schreiben mit der Hand bedeutet:
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Strukturieren von Gedanken
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Verbindung von Kopf, Herz und Körper
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Ausdruck von Persönlichkeit
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Aktives Lernen mit haptischer Erfahrung
Die Schrift ist eingebettet in die Grundwerte der Gesellschaft. Sie formt unsere Persönlichkeit, trainiert Feinmotorik, Disziplin und Kreativität.
Ihre Vernachlässigung ist ein schleichender, aber tiefgreifender Verlust für jung und alt.
Und natürlich: Die Digitalisierung ist kein Feind. Aber Tastaturen sind kein Ersatz für das, was ein Kind beim Schreiben mit der Hand lernt.
Schreiben aktiviert andere Hirnregionen. Es entschleunigt den Geist ordnet die Gedanken.
Stattdessen fragen sich heute viele: Brauchen wir Handschrift überhaupt noch? Reicht nicht Copy & Paste?
Die Antwort muss lauten: Wir brauchen beides. Technik UND Handschrift. Fortschritt UND Verwurzelung. Denn wer nur noch tippt, verliert vielleicht irgendwann den Kontakt zu seiner eigenen Stimme.
Fazit: Die Handschrift ist kein Relikt sondern ein Spiegel zur Innenwelt. Wer sie verliert, verliert ein Stück seiner kulturellen und geistigen Identität.
Es ist Zeit, sie neu zu entdecken – nicht aus Nostalgie, sondern weil sie uns als Menschen ganz macht.
Und vielleicht beginnt das nicht im Klassenzimmer, sondern mit einem Füller und einem leeren Blatt Papier.
Vielen Dank für deine Zeit und dein Interesse.
Marika Jacqueline Mitterhofer